netzpolitik.org – Netzpolitik-Interview: Eine weitere Alternative zu Netz-Sperrungen

Mai 20th, 2009 | By | Category: Allgemein, Anton, Politik

Heute geisterte ein alternativer Vorschlag von 1&1 durchs Netz (PDF), wie man eine (möglicherweise) grundrechtskonforme Sperr-Alternative schaffen könnte, die nicht in die Infrastruktur des Netzes eingreift, sondern nutzerautonom abläuft. Der Alternativ-Vorschlag hat mich zwar nicht wirklich überzeugt, weil ich die Regel “Löschen statt Sperren” immer noch für den vernünftigsten, logischsten und sinnvollsten Weg halte. Aber um die Debatte rund um die Zensursula-Gesetzgebung zu bereichern, hab ich dazu ein Interview mit Andreas Maurer, dem Pressesprecher von 1&1 gemacht.

netzpolitik.org: Im Netz kursiert derzeit ein alternativer Vorschlag zum Access-Blocking mit dem zentralen BKA-Stopp-Server. Warum kommt 1&1 jetzt mit einem Vorschlag aus der Deckung – das Thema Netzsperren wird doch schon seit Monaten diskutiert?

Andreas Maurer: Das ist so nicht richtig: Im Rahmen der AG Access-Blocking im Familienministerium gab es keinerlei Diskussion zu den Zielen der Leyen-Initiative, zu geeigneten Mitteln und schon gar nicht zu etwaigen Alternativen. Die Debatte hat sich seither erheblich entwickelt. Inzwischen ist das Parlament eingebunden, und dort mehren sich in allen Parteien kritische Stimmen zum dem Vorschlag von Familien-, Wirtschafts- und Innenministerium. Seitens der Politik wurde nun der Wunsch an uns herangetragen, ein Verfahren zum Blocken von Kinderpornographie zu entwickeln, das grundrechtskonform ist. Wir haben daraufhin in einem internen Papier untersucht, wie eine grundrechtskonforme Alternative zum Schäuble-Leyen-Modell funktionieren kann. Offenbar ist dieses interne Papier von jemandem, dem wir das Modell vorgestellt haben, geleakt worden. Der politische Prozess wird dadurch leider nicht erleichtert.

netzpolitik.org: Wie soll das Modell konkret aussehen?

Andreas Maurer: Beim Jugendschutz wurde anders als beim Schutz vor Kinderpornographie von Anfang an eine dezentrale Lösung favorisiert, die beispielsweise im DSL-Router – also im Hoheitsbereich der Internet-Nutzer – implementiert ist. Damit kann der Administrator des DSL-Routers für jeden PC im Heimnetz festlegen, welche Inhalte aufgerufen werden dürfen, mit einer Art Altersfreigabe. Technisch wäre es nun kein Problem, hier auch die BKA-Liste mit einzubauen.

netzpolitik.org: Aber dann würde die Zensur doch nur vom Netz auf den Router verlagert?

Andreas Maurer: Nein, denn wir reden hier über ein nutzerautonomes System – der Anschluss-Inhaber kann selbst einstellen, auf welche Inhalte die PC-Nutzer weiter Zugriff erhalten sollen – etwa auf alle „Ü18-Seiten“ oder umgekehrt nur auf Seiten, die auf einer Whitelist stehen.

netzpolitik.org: Moment – der Nutzer soll also auch einstellen können, dass er weiter auf Seiten mit Kinderpornographie zugreifen kann?

Andreas Maurer: Das ist letztendlich beim Vorschlag der Familienministerin genauso – die Anleitungen zur Änderung der DNS-Einstellungen sind ja nun hinlänglich bekannt. Frau von der Leyen und Herr Ziercke sagen ja selbst, dass sich mit den so genannten „Sperren“ nur Gelegenheitsnutzer abschrecken lassen, oder Nutzer, die per Zufall auf Seiten mit kinderpornographischen Inhalten geraten. Unser Vorschlag ist da nicht nur ehrlicher, sondern auch effektiver. Mit einer Router-Lösung können sich Internetnutzer nicht nur vor dem unabsichtlichen Ansurfen von Kinderporno-Seiten schützen, sondern auch ihre Kinder vor nicht kindgerechten Inhalten schützen. Das kann Frau von der Leyen mit ihrer Lösung nicht erreichen.

netzpolitik.org: Wie soll das denn in der Praxis aussehen – wo kommen die Listen überhaupt her? Und sollen die Sperrlisten dann tatsächlich im Router gespeichert werden? Wer prüft oder kontrolliert den Inhalt dieser Listen?

Andreas Maurer: Es gibt heute schon eine Reihe von Stellen, die solche Positiv- wie Negativlisten pflegen. Beispiele sind etwa das BPJM-Modul oder der „sichere Surfraum“ der Initiative fragFINN. Da mit unserem Modell verschiedene Listen zusammengeführt werden, ist es notwendig, die Verwaltung – und das bedeutet unserer Ansicht nach auch die Gegenkontrolle und Nachprüfung der Listen – einer Instanz anzuvertrauen, an der relevante gesellschaftliche Institutionen beteiligt sind. Hier sollte auch eine Beteiligung aus dem Netz heraus ermöglicht werden. Damit erreichen wir ein Optimum an gesellschaftlicher Kontrolle bezüglich der Inhalte auf den Listen. Zugleich ist auch ein Schutz gegen eine Ausweitung der Inhalte auf diesen Listen gegeben. Natürlich können die Listen selbst nicht im Router lokal gespeichert werden. Die Datenbank technisch zu hosten könnte z.B. das BSI übernehmen, während die Provider dann jeweils nur lokale Datenbank-Caches auf Ihren Servern betreiben.

netzpolitik.org: Damit wäre aber auch die berühmte Stopp-Seite vom Tisch?

Andreas Maurer: Der Stopp-Server wäre vom Tisch, nicht unbedingt die Stopp-Seite. Die Fehlermeldung, die bei einer blockierten Seite angezeigt werden soll, kommt bei unserem Modell vom Router. Damit ist aber auch das Thema Echtzeit-Überwachung vom Tisch, das im Moment offenbar bei einigen Politikern für Magengrummeln sorgt.

[Quelle: netzpolitik.org]

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